Warum wir T-Shaped mit Team-Shaped gleichsetzen
Autor
Michael Wolf
Head of Technology
bei SYZYGY Techsolutions
Lesedauer
6 Minuten
Publiziert
06. März 2023
Beim Gedanken an T-Shaped Professionals kommen Stakeholder ins Schwärmen. HR wird emotional, Einkauf und Controlling öffnen direkt Ihre „Excels“, Projektverantwortliche geraten in Ekstase. Selbst bei Entwickler:innen regen sich in schwachen Momenten Gefühle. So viel steht fest: T-Shaped ist vogue. Aber auch knifflig, versteht doch jeder etwas anderes darunter.
Die Frage, ob Techies Spezialisten oder Generalisten sein sollten, führt in der IT oft zu philosophischen Diskussionen und Glaubensbekenntnissen. Gerne wird sich abschließend auf generalistischer Spezialist, spezialisierter Generalist oder “Beides” geeinigt. Oder etwas moderner, auf T-Shaped.
Auch wir bei SYZYGY Techsolutions können uns dem nicht verwehren. Im Gegenteil. Wir sind davon überzeugt, dass breit aufgestellte Expert:innen den Unterschied machen. Ganz im agilen Sinne sind offenes Mindset, soziale und kommunikative Skills sowie ein tiefes technisches Verständnis gleichermaßen relevant für die moderne ITler:in.
T-Shaped Professionals & cross-funktionale Teams
Die Idee des T-Shaped Professionals in cross-funktionalen Teams ist nicht neu. Eine Beschreibung von multi-funktionalen Teammitgliedern findet sich z.B. in “The New New Product Development Game” von Hirotaka Takeuchi und Ikujiro Nonaka (veröffentlicht 1986 im Harvard Business Review), nach dessen Vorlage das Scrum Framework modelliert wurde.
Früher wurden Teams in der IT in der Regel rund um Komponenten und horizontal geschnitten, z.B. das CRM-System-Datenbank-Team. Dies hatte zur Folge das die Besetzung anhand einer speziellen Qualifizierung erfolgte und in solchen Teams nur eben diese Spezialisten zu finden waren. Die Entwicklung eines Produkts machte das Umsetzen von Aufgaben in verschiedenen dieser spezialisierten Teams notwendig, im Regelfall nacheinander.
Der traditionelle Ansatz stieß mit zunehmender Komplexität in der IT an seine Grenzen. Einige Gründe dafür sind:
- Mit zunehmender Komplexität erhöht sich die Menge an notwendigen Teams und damit verbunden auch Entwicklungszeit und Kosten
- Durch die spezialisierten Silos ist erheblicher Koordinationsaufwand zwischen den Teams notwendig.
- Beim Übergang der Arbeiten von einem Team zum anderen geht Wissen verloren.
- Das stark isolierte Produktwissen innerhalb der Teams bremst die Weiterentwicklung der Teammitglieder.
- Es kann zu einer “Das ist nicht meine Aufgabe”-Einstellung führen
Dies greifen Agile Ansätze auf. Es entstand die Idee von cross-funktionalen Teams, die in der Regel vertikal geschnitten sind und selbstorganisiert alle Aufgaben einer Wertschöpfungskette durchführen. Um dies zu erreichen, müssen die Teammitglieder nicht mehr Spezialisten, sondern T-Shaped Professionals sein.
Cross-funktionale Teams sind ein maßgeblicher Erfolgsfaktor moderner IT-Projekte.
Stephen OelgrayHead of Delivery – SYZYGY Techsolutions
Definition T-Shaped
Die eine einheitliche Definition von T-Shaped gibt es nicht. Es ist eine Metapher, um Fähigkeiten einer Person zu beschreiben. Der vertikale Balken bzw. der Buchstabe „I“ beschreibt die – idealerweise tiefgreifende – Expertise in einem Fachgebiet, währenddessen der horizontale Balken – idealerweise breites – Wissen in anderen Gebieten beschreibt.
Auf die agile Welt und z.B. Entwickler:innen übersetzt bedeutet das “I” die Kenntnis in einer bestimmten Technologie oder Sprache, während der horizontale Balken Kenntnisse in anderen, komplementären Technologien und vor allem auch interdisziplinäre Fähigkeiten, etwa Kommunikationsfähigkeiten beschreibt.
So weit, so gut. Doch durch die verschiedenen und zudem abstrakten Definitionen bleibt enormer Interpretationsspielraum. Das „T“ wird von jeder Rolle, jeder Person unterschiedlich interpretiert. Das gilt nicht nur in Bezug auf die konkreten Skills der beiden Dimensionen – also welche Skills hier tatsächlich gemeint sind. Sondern auch wie die Dimensionen gewichtet werden.
Ein Beispiel: Während Entwickler eher die Tiefe im Blick haben, schauen Agile Coaches eher in die Breite. Product Owner wiederum sehen T-Shaped sowohl breit als tief. Schließlich soll es gar Stakeholder geben, die ein zu optimistisches Bild haben.
Evolution des T-Shaped Professionals
Der gezeigte Trend hin zu immer breiter und tiefer aufgestellten IT-Professionals findet sich auch in der Deklination von T-Shaped wieder.
T-Shaped ist erst der Anfang, in der modernen IT sind längst weitere Steigerungsformen etabliert. Nach T-Shaped kommen Pi-Shaped Professionals, noch breiter aufgestellte Personen mit mehr als einer Spezialisierung. Es folgen „M“, „Comb“ oder „Tree“-Shaped, allesamt keine feststehenden Begriffe aber auf jeden Fall eine Steigerung implizierend.
Wo ist der Haken?
Wenn wir das zu Ende denken landen wir automatisch bei der eierlegenden Wollmilchsau. Bei Personen, die alles können. Aggregiert man dies, kommt man zu “T-Shaped ist super > Techies die alles können”.
Solch ein Statement treibt nicht nur den Puls besagter Techies in ungeahnte Höhen, sondern ist – nüchtern betrachtet – schwierig. Weder T-, Pi- oder SonstWie-Shaped beschreibt jemanden, der alles kann. Wie auch. Es gibt diese Person – mal von wenigen extra-terrestrischen Ausnahmen abgesehen – schlichtweg nicht. Und das ist gut so.
Klar, ITler:innen sind die Besten, gleich in mehreren Disziplinen und zudem sehr breit aufgestellt *hust*. Und mit steigender Seniorität, jeder neuen Initiative und jeder neu erlernten Technologie werden Sie besser – in der Breite wie in der Tiefe. Doch jede noch so gute ITler:in kommt hier zumindest zeitlich an ihre Grenzen: Ein Arbeitsleben ist für “Normalsterbliche” schlicht zu kurz, um alles zu lernen. Die stetig steigende Menge an Tools, Frameworks, Methoden und Anforderungen an Social Skills verschärfen das noch weiter.
Team-Shaped
ITler:innen die alles können, gibt es nicht. Und doch ist der Wunsch danach in vielen Organisationen weit verbreitet. Woher kommt das?
Hier liegt ein Missverständnis vor. Die agilen Konzepte cross-funktionale Teams und T-Shaped Professionals werden gleichgesetzt und wie folgt interpretiert: Jeder im Team muss alles können, um ein cross-funktionales Team zu erhalten.
Doch sind es eigenständige, additive Konzepte. Tatsächlich muss nicht jede einzelne Person innerhalb eines Teams alle Fähigkeiten besitzen, sondern das Team.
Natürlich werden in modernen agilen Umfeldern individuelle Fähigkeiten der Team-Mitglieder gefördert und wertgeschätzt. Mit dem Konzept des T-Shaped Professionals fokussiert man sich dabei neben Expertise im Fachgebiet insbesondere auch auf interdisziplinäre Skills. Zusätzlich wendet man das Konzept von selbst organisierten und cross-funktionalen Teams an. Damit rücken eben diese Teams als kleinste nicht teilbare Einheit und als erfolgsversprechender Faktor in den Mittelpunkt.
Denn schon Konfuzius sagte: “Ein gutes Team ist mehr als die Summe seiner Mitglieder”. Oder war es Yoda, oder doch die Betriebstexterin der hiesigen Glückskeks-Industrie? Egal: Auch wir fokussieren uns neben den Skills einzelner ITler:innen insbesondere auch auf ausgewogene Teams.
Ein diverses Team bei SYZYGY Techsolutions ist T-Shaped, selbst organisiert, cross-funktional oder einfach nur super.
Head of Technology