Einblicke ins STS Camp 2025
Autor
Michael Wolf
Head of Technology
bei SYZYGY Techsolutions
Lesedauer
7 Minuten
Publiziert
23.09.2025

Zwei Tage, drei Teams, unzählige Ideen – beim SYZYGY Techsolutions Camp 2025 stand alles im Zeichen von AI Agents. In einem Hackathon-Format haben wir gemeinsam erkundet, wie agentische Systeme unseren Arbeitsalltag smarter, effizienter und automatisierter machen können. Herausgekommen sind lauffähige Prototypen für Time-Tracking, Dokumentation und Ticketgenerierung – plus jeder Menge Erkenntnisse zur praktischen Agentenentwicklung mit Microsoft Azure Foundry.

Ziel: Agents everywhere
Das Camp hatte ein klares Ziel: Agentenideen erarbeiten, die Teams, Rollen und Prozesse bei STS konkret unterstützen können – sei es im Projektmanagement, in der Entwicklung oder im Bereich HR. Die Agenda in Kürze:
- Tag 1: Check-in, gemeinsamer Start, Ideation & Beginn der Entwicklung
- Tag 2: Ausbau der Prototypen, Final-Pitches und Award-Verleihung
Azure AI Foundry Portal
Technisches Fundament war das Azure AI Foundry Agent Framework – die zentrale Plattform zur Entwicklung, Orchestrierung und Ausführung von Agenten bei Microsoft. Über eine übersichtliche GUI oder per Code lassen sich Agenten-Definitionen, Tool-Verknüpfungen und Evaluations-Mechanismen leicht modellieren. Hinzu kommen Enterprise Features zu Sicherheit, Transparenz und DevOps-Integration. Das macht die Plattform zur idealen Spielwiese für produktionsnahe Prototypen.

Die Lösungen
Die Ergebnisse im Camp bestätigen, dass Agenten-Systeme längst mehr sind als ein Buzzword. Es mangelt nicht an Use-Cases, eine Verprobung ist schnell möglich. Die Kombination aus produktionsreifen Agenten-Plattformen wie Azure AI Foundry, angebundenen Tools (z. B. Vector-Datenbanken, OpenAPI-Integration, Code Interpreter, Websuche) und dem Einsatz von KI-Code-Assistenten wie GitHub Copilot macht es möglich, Agents innerhalb kurzer Zeit produktionsnah zu testen.

Time Tracking as a (Agentic) Service
Mit dem „Time Saving Deputy“ entwickelte das Team „Amazing Avocados“ ein Multi-Agenten-System zur Automatisierung der Zeiterfassung – einem der am wenigsten beliebten, aber notwendigsten Prozesse im Agenturalltag.
Die Lösung besteht aus einem modularen Aufbau von spezialisierten Agents:
- Git-Manager: Prüft Commits und leitet daraus Buchungsvorschläge ab.
- Meetings-Master: Analysiert Kalender und Call-Daten, erkennt Meetings und ermittelt deren Bezug zu Projekten.
- Time-Tracking-Agent: Wandelt unstrukturierte Eingaben in Buchungen um.
- Wochenblick-Agent: Erzeugt Diagramme und Reminder, falls Buchungen unvollständig sind.
- Master-Agent: Fungiert als Orchestrator, erkennt Nutzerintentionen, koordiniert Spezialisten und liefert am Ende eine formatierte Zusammenfassung inklusive Buchungsbestätigung.
Die Interaktion beginnt mit einer simplen Anfrage wie: „Bitte buche meine Zeiten“. Der Master-Agent startet daraufhin den automatisierten Prozess, inklusive Datenabruf, Validierung und Buchung.

In Zukunft können beliebige weitere Datenquellen (z. B. Jira, Confluence, HR-Tool) angebunden und die Buchung vollautomatisch über einen Scheduler ausgeführt werden – inklusive Erinnerungen über Teams oder E-Mail mit Tages-Insights zur Billability und Projektverteilung.
Izzy – Agentic Assistant mit UX-Fokus
Team „Bold Bananas“ kombinierte Agentenorchestrierung mit einer dynamischen UI, die den Umgang mit Agents deutlich intuitiver gestaltet. Statt rein textbasierter Chat-Interaktion wird hier eine reaktive Oberfläche geboten, die kontextsensitiv auf Eingaben reagiert und passende UI-Elemente anbietet. So wird die Kommunikation mit Agents nicht nur sprachlich, sondern auch visuell gesteuert, was die Bedienbarkeit deutlich erhöht.
Im Hintergrund orchestriert ein Agenten-Framework mehrere spezialisierte Agents, die Aufgaben untereinander aufteilen, Informationen austauschen und kollaborativ Ergebnisse liefern.

Die Hauptagenten des Prototyps:
- Zeitmanagement-Assistant: Unterstützt bei der persönlichen Zeitplanung, erkennt Meetings, Termine oder geblockte Zeitfenster und hilft, Aufgaben sinnvoll in den Tages- oder Wochenverlauf einzuordnen.
- Confluence-Doku-Helfer: Schlägt automatisch geeignete Confluence-Seiten zum Thema vor, generiert neue oder Meeting-Notizen und hilft beim Auffinden veralteter oder redundanter Inhalte – eine große Hilfe für Delivery-Teams und Projektleiter:innen.
- Ticket-Manager (Jira): Agiert als intelligenter Assistent für Ticket-Suche, Priorisierung und Refactoring. Neben Ergebnissen zu Suchanfragen wie „Zeig mir alle Tickets aus Sprint X, die noch keine Schätzung haben“ werden auch Merge Requests oder Sub-Tasks vorgeschlagen.
Langfristig kann aus dem Prototyp eine wiederverwendbare UI-Komponenten-Bibliothek für Agenten entstehen. Modulare Bausteine, die sich kontextsensitiv verhalten und Sprache und Chat mit einer maßgeschneiderten visuellen Benutzerführung kombiniert.
Ticket Wizard – Der Requirements Engineer
Team „Crazy Cucumbers“ adressierte ein bekanntes Pain-Point-Thema: Tickets, die unvollständig, unstrukturiert oder nicht normgerecht sind. Mit dem Ticket Wizard entstand ein Multi-Agenten-System, das aus freien Texten (z. B. aus Mails, Chats, Meetings) automatisch standardisierte Jira-Tickets generiert.
Der Wizard arbeitet mit einer Agenten-Pipeline, in der spezialisierte Agents – orchestriert durch einen zentralen Haupt-Agenten – gemeinsam an der Ticketgenerierung arbeiten:
- Validator: Prüft auf rechtliche, ethische und organisatorische Richtlinien
- Aggregator: Ergänzt Kontextinformationen aus Jira, Git-Repos und Confluence
- Restructurer: Wandelt freie Texte auf Basis von Definition-of-Ready und Templates in klare Aufgabenformate um
- Creator: Erstellt automatisiert Jira-Tickets mit allen nötigen Metadaten
Der Orchestrator-Agent koordiniert die Pipeline und stellt sicher, dass am Ende ein einsatzbereites, DoR-konformes Ticket mit Titel, Beschreibung, Priorität, Tags und Links entsteht.

Im nächsten Schritt sind Features wie Release-Summaries, PR-Erstellung, Outlook-zu-Ticket-Konvertierung oder auch ein TL;DR-Agent zur Tageszusammenfassung angedacht.
Honorable Mentions
Während sich die drei Teams auf je einen PoC fokussierten, entstanden in den Brainstorming-Phasen zahlreiche weitere spannende Ansätze. Hier eine Auswahl der Ideen, die es (noch) nicht zur Umsetzung geschafft haben:
- „TL;DR of the Day“-Agent: Fasst alle täglichen Notifications aus Jira, E-Mail, Teams & Co. zusammen – kompakt, priorisiert, verständlich.
- Workshop-Planer-Agent: Findet automatisch freie Timeslots und passende Teilnehmer:innen für interne Formate wie Brown Bags oder Onboarding-Sessions.
- Event- & Teambuilding-Agent: Generiert Vorschläge für Team-Aktivitäten (z. Coffee-Talks, Lunch-Roulette, Offsites) und unterstützt bei der Terminfindung.
- News-Agent: Kuratiert regelmäßig Tech-News, Tools, Frameworks und Trends – zugeschnitten auf individuelle Interessensprofile.
- Urlaubs- und Abwesenheits-Agent: Plant Urlaube im Teamkalender, berücksichtigt Feiertage, stellt Anträge automatisch via Outlook API.
- PR-Generator & Release Summary Writer: Erstellt Pull Requests und Release Notes auf Basis von Git-Commits, Jira-Daten und Branch-Namen.
- Onboarding-Agent: Unterstützt neue Kolleg:innen mit Infos, Links, Zugängen und einem personalisierten Startpaket – voll automatisiert.
Camp-Vibes
Neben Code, Prompts und Prototypen ging es beim Camp natürlich auch ums Miteinander. Und das hat – wie jedes Jahr – sehr gut funktioniert.
Es gab Zeit für echten Austausch. Egal ob beim Whiteboard-Scribble, beim ersten Kaffee oder bei Cocktails am Abend – die Zeit war intensiv, die Stimmung super. Zwei Tage lang wurde diskutiert, gelacht und ausprobiert. Dass viele Teilnehmer:innen zum ersten Mal in dieser Konstellation zusammenarbeiteten, merkte man nach kürzester Zeit nicht mehr.

Kurz: Gute Leute, gute Energie, gute Ergebnisse – und am Ende mehr als nur funktionierende Prototypen: Das STS Camp hat gezeigt, wie stark Ideen, Teamwork und Technik zusammenwirken können.
Learnings: Kontrollverlust und Agenten-Workflow
Abseits der Prototypen hat das STS Camp 2025 wertvolle Erkenntnisse zur technischen Umsetzung von Agenten-Architekturen und ihrer praktischen Nutzbarkeit im Unternehmenskontext geliefert:
- Die Qualität des eingesetzten Modells ist entscheidend. Schwächere Modelle neigen nicht nur zu Halluzinationen, sondern sind auch inkonsistenter im Verhalten – was die Entwicklung stabiler Agenten erschwert. Für produktionsnahe Use Cases ist der Einsatz von aktuellen Modellen fast unumgänglich.
- Prompt Engineering und das sinnvolle Planen von Agentenrollen sind zentrale Erfolgsfaktoren. Gute Agenten entstehen nicht durch mehr Code, sondern durch besseren Umgang mit dem Modell. Die meiste Arbeit liegt nicht im klassischen Coding, sondern im präzisen Zuschneiden von Agentenrollen, im Formulieren klarer Instructions und dem Definieren robuster Fallbacks.
- Herausforderungen beim Wechsel zu nicht-deterministischer Logik: Klassische Systeme folgen klaren Regeln – wenn-dann-Logik, reproduzierbare Abläufe. Bei LLM-basierten Agenten hingegen entscheidet das Modell, wie Aufgaben interpretiert werden. Selbst klare Anweisungen führen nicht immer zu erwartbaren Ergebnissen. Das macht Testing komplexer, vor allem ohne klassische Kontrollstrukturen. Gerade für Entwickler:innen bedeutet das eine Umstellung: hin zu einem Prompt-basierten, nicht-deterministischen Ansatz.
- Workflow-Engines sind entscheidend. Reine Agenten-Setups ohne strukturierte Workflows – wie sie z.B. mit LangChain/LangGraph realisiert werden – stoßen bei vielen Anforderungen an Grenzen. Oft gilt es, Agenten mit expliziter Steuerlogik zu kombinieren, um Verlässlichkeit sicherzustellen.
Insgesamt bestätigten die Teams aktuelle Herausforderungen im Umgang mit Agenten, darunter vor allem ein Mangel an Kontrolle über die nicht-deterministischen Ergebnisse. Während einige der Ideen gut als autonome Agenten-Systeme umgesetzt werden können, sind andere nicht vollautonom umsetzbar, sondern erfordern Kontrolle durch Workflow-Engine und Human-in-the-Loop-Prozesse.
Fazit
Das STS Camp 2025 war ein Blick in die Arbeitswelt von morgen. Es entstanden nicht nur innovative Prototypen, sondern auch zahlreiche Erkenntnisse darüber, welche Rolle Agenten in unserem Arbeitsalltag spielen werden – als smarte Helfer im Tagesgeschäft, als Co-Piloten für Teams oder als Katalysator für den unternehmensweiten Wissensaustausch.
Wir sind gespannt, welche weiteren Ideen ihren Weg in unseren Arbeitsalltag finden.

Head of Technology